Darf ich das (auch)?
Wohl die am meisten gestellte Frage eines jeden Zölikindes,
gleichbedeutend mit der am meisten gestellten Frage der Zöliakie-Betroffenen überhaupt
und damit der am meisten gestellten in diesem Forum:
Ist das glutenfrei?
Da stellt sich zunächst einmal die Frage nach der Frage selbst:
IST das glutenfrei? Ist DAS glutenfrei? Ist das GLUTENFREI?
WAS ist glutenfrei? Was IST glutenfrei? Was ist GLUTENFREI?
Allein darüber gibt es schon eine Menge nachzudenken,
Gibt es dieses viel beschworene GANZ ODER GAR NICHT?
Gibt es die 100% ?
Ich denke, am besten können wir mit dieser Frage umgehen, wenn wir uns die Frage nach 100%iger Gesundheit stellen und das nicht einmal begrenzt auf den Sonderfall Zöliakie oder auch nur Glutenunverträglichkeit, denn genauso wie bei den Fragen nach glutenfrei oder nicht und gesund oder nicht liegt die Grenze zwischen Zöliakie und Glutenunverträglichkeit ganz einfach in der Mess- und/oder Darstellbarkeit und damit entscheiden einmal mehr die Grenzwerte und wir legen mit dem Beginn einer Diagnostik die Bestimmung über die Gestaltung unseres weiteren Lebens in fremde Hände.
Der Mensch neigt dazu, Entscheidungen gerne Anderen zu überlassen, um selbst nicht verantwortlich zu sein für Folgen. Fragt man sich aber nach den wesentlichen Voraussetzungen für Zufriedenheit und Glück, steht bei den Allermeisten das selbstbestimmte und damit eigenverantwortliche Leben auf der Skala der Wünsche ganz weit oben. Die Meisten von uns sind bestrebt, Selbstbestimmung so früh wie möglich zu erlangen und so lange als möglich zu erhalten.
Vorgegebene Gesetze müssen sein, weil uns die Geschichte lehrt, dass der Mensch Das Miteinander in einer Gesellschaft nicht ohne solche leben kann.
Dem Wunsch nach unversehrtem Erhalt von Leib und Leben aller liegt letztendlich alles zugrunde, ob es nun um Dinge wie Mord- und Totschlag, Körperverletzung, das Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden und Verkehrsmitteln oder auch ums Lebensmittelrecht geht. Annäherung – Vergleich – Kompromiss; immer wieder werden diese Begriffe zu Schlüsselwörtern, und für Entscheidungen in der Rechtsprechung bedarf es letztendlich immer der Beweise und einer Nachweisbarkeit.
Die Wenigsten unter den Menschen, die an einer wie auch immer gearteten Glutenunverträglichkeit leiden, haben eine eindeutig nachgewiesene Zöliakie. Der weitaus größte Teil besteht aus Denjenigen, die entweder grenzwertige, falsch negative oder negative Diagnosen haben oder nie einer spezifischen Diagnostik zugeführt wurden und sich fremdbestimmt in einem anderen Krankheitsgebiet befinden oder mangels Nachweisbarkeit als psychosomatisch eingestuft werden. Gerne wird hier der Vergleich zu Läusen und Flöhen gezogen und ganz sicher greifen viele Erkrankungen so ineinander, dass man Beschwerdebilder nicht immer zweifelsfrei der einen oder anderen Sache zuordnen kann. Wir sollten bei allem Respekt vor der ärztlichem Kunst und bei aller Notwendigkeit ihre Mittel und Möglichkeiten zu nutzen, unserem Befinden, unserem Gefühl und unserem eigenen Verstand den Stellenwert einräumen, den sie verdienen.
Die Grenze zwischen unserem Körper und unserer Seele lässt sich nicht ermitteln und darstellen, dennoch gehört beides zusammen und bestimmt unser Befinden, steuert gemeinsam die Symptomatik, egal in welchem Bereich eine Krankheit entsteht. Wann eine Krankheit beginnt, eine Krankheit zu sein, entscheidet dann wieder ein Grenzwert, weil wir nun mal von Natur aus so gestrickt sind, dass wir alles sehen und begreifen wollen, sprich: schwarz auf weiß haben wollen, um bereit zu sein, uns nach einer Vorgabe zu richten.
Bezogen auf die Frage nach Glutenfreiheit und damit der Grundvoraussetzung für die Gesundheit von Betroffenen kann man nur das Gleiche feststellen, was für gesunde Ernährung allgemein gültig ohne Wenn und Aber feststeht:
Mit jeder Zutat, die einem reinen, unverfäschten, von Natur aus glutenfreien Lebensmittel beigegeben wird, geht von der 100% igen Glutenfreiheit ein Bruchteil verloren und sei es nur durch Kontamination. Wer in einer industrialisierten Gesellschaft wie der unseren lebt, ist nun mal nicht autark und kann sich in Bezug auf seine Ernährung einem bestimmten Anteil an industrialisierter Nahrung nicht entziehen, auch dann nicht, wenn er sein Gemüse im eigenen Garten zieht, sein Brot selber bäckt und sich weitgehend von dem ernährt, was man allgemeinhin unter gesund versteht. Es bleibt immer bei der Annäherung an die 100% . Wieviel man sich dabei selbst wert ist, hat Jeder selbst in der Hand, auch mit dadurch, wie er außerhalb des Bereiches glutenfrei oder nicht sonst mit seinem Leben umgeht, sei es in Bezug auf Fertignahrung, das Rauchen, das Trinken oder andere Gefahren für Leib und Leben. Der Gesetzgeber soll uns die Grundlage dafür schaffen, nutzen müssen wir die Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, selber, genauso wie wir es in der Hand haben, die Grundlagen für diese Möglichkeiten durch unser Engagement ständig zu verbessern – jeder in dem Bereich und in dem Maße, wie er es selbst bestimmt und verantworten kann.
Nutzen wir Selbstbestimmung und Selbstverantwortung. Für den Menschen mit diffusen Beschwerden – egal in welchem Bereich - heißt das in erster Linie:
Mach dich schlau!
Heute sind die Möglichkeiten dafür besser denn je! Das viel verteufelte Internet ist für Menschen mit Fragen und Nöten ein Segen wie im ausgehenden Mittelalter die Erfindung der ersten Druckmaschinen.
Geh zum Arzt deines Vertrauens oder suche ihn dir!
Nutze dafür alle Möglichkeiten, die sich bieten!
Nimm nicht alles als gegeben hin!
Lass dir alles erklären und aushändigen, was dokumentiert wird. Es sind in allererster Linie DEINE Daten, nicht die des Arztes, des Labors oder des Krankenhauses, es geht um DICH und DU zahlst dafür, sei es in Münze, oder durch deinen Krankenkassenbeitrag. Hinterfrage, bleib immer selbst am Ball und lass auch nach einer evtl. Diagnose nicht immer Andere entscheiden, was richtig oder falsch für dich ist, und damit meine ich letztendlich auch die Herstellerangaben und die sogenannten Listen, denn Alles, was diesen Angaben zugrunde liegt, hast du nicht selbst in der Hand.
Damit schließt sich der Kreis und wir sind wieder bei der Nachweisbarkeit. Wir müssen Vieles entweder einfach glauben oder sein lassen. Dazwischen liegt das, was sich unter Annäherung und Grenzwertigkeit definiert. Wieviel wir uns aus diesem Bereich zumuten, müssen wir nun mal selbst entscheiden. Jeder Einzelne für sich.
Die amerikanischen Behörden haben den mit der Festschreibung des Grenzwertes von 20ppm, basierend auf der derzeitigen Verfügbarkeit der Analyseverfahren, die Definition des Begriffes glutenfrei wegweisend festgeschrieben, verbunden mit der Möglichkeit für die Hersteller konventioneller Lebensmittel, Produkte, die diese Vorgabe ein- und Kontrollen daraufhin standhalten, freiwillig als glutenfrei zu deklarieren. Mit der Festschreibung einer Definition ist den Herstellern die Leitlinie gegeben. Ob sie "das Label" draufsetzen, liegt in ihrer Verantwortung, ob der Betroffene das Produkt kauft und zu sich nimmt, in seiner.
Wie auch immer die Vorgaben von Gesetzgeber, Behörden und Verbänden aussehen mögen und wie sehr sich die DZG und dieses Forum um Information, Aufklärung, Öffentlichkeitsarbeit und Hilfestellung bemühen, unserem Körper gegenüber sind wir selbst verantwortlich und das ist auch gut so.
Lieben Gruß,
Hetairos